Sorgerechtsverfahren können sich lange
hinziehen. Das hannoversche Amtsgericht zeigt mit einem
Modellversuch jetzt einen Ausweg. Mit beschleunigten
Verfahren soll dem Kindeswohl Rechnung getragen werden.
Was dabei herauskommt, wenn das
Gericht Tempo macht, die Anwälte mitziehen, das Jugendamt
Sonderschichten fährt und die Eltern kompromissbereit sind,
zeigt ein Fall, den Rechtsanwältin Kirsten Reimers gerade
abgeschlossen hat. Das Verfahren dauerte keine vier Wochen.
Dabei schien die Sache nicht unkompliziert. Die Eltern eines
einjährigen Mädchens hatten sich getrennt. Beide wollten das
Sorgerecht. Eigentlich eine klare Sache. Im Allgemeinen gilt
die Regel: Ein Kind in diesem Alter gehört zur Mutter. Dem
widerspricht Kirsten Reimers: „So einen Erfahrungssatz gibt es
nicht. Viel bedeutsamer ist, wo das Kind seine wichtigsten
Bezugspersonen hat.“
Der Streitfall wurde innerhalb
eines Monats geklärt. Es gab keine ausführlichen Schriftsätze,
das Jugendamt schrieb kein langes Gutachten, sondern schickte
einen Vertreter zur Verhandlung, und Richter Hans-Dieter Nolte
sprach sein Urteil kaum drei Wochen nachdem die Klage
eingereicht war: Das einjährige Kind bleibt beim Vater, in
einem intakten Umfeld, zu dem auch sorgende Großeltern
gehören. Die Mutter wollte Hannover verlassen und ihre
beruflichen Chancen anderswo ausloten. Die Eltern verabredeten
eine großzügige Besuchsreglung.
Der Fall ist vorerst
noch ein Musterbeispiel und nicht die Regel. Eine der
wichtigsten Voraussetzungen für eine schnelle Lösung ist für
Familienrichterin Katrin Wente-Mautgreve die Stimmung zwischen
den Eltern: „Es kommt entscheidend darauf an, wie sie im
Vorfeld des Verfahrens miteinander umgegangen sind.“ Lange
Schriftsätze, so die Richterin, würden das Klima nicht selten
vergiften und eine Einigung schwerer machen. Ein formeller
Schriftsatz kann viel mehr verletzen als ein verbaler Vorwurf
in einer mündlichen Verhandlung.
Ein zügiger Termin ist
vornehmlich im Sinne der Väter. Nach der Trennung sind kleine
Kinder meistens bei der Mutter, und solange gestritten wird,
lassen manche Mütter wenig oder gar keinen Besuch der Väter
zu. Wenn dann erst nach Monaten verhandelt werden kann, sind
die Väter manchmal schon Fremde geworden.