Das Familienministerium hat seit Jahren ein Faible
dafür, Fragen von Handgreiflichkeiten zwischen Partnern gerade von jenen
Forscherinnen untersuchen zu lassen, deren Motive weniger aus eigener Erfahrung
oder zumindest aus einer im wesentlichen anerkennenden Haltung gegenüber
Männern stammen, sondern vielmehr von Abschätzigkeit gegen alles Männliche
beherrscht scheinen. Diejenige, die sich Männer allen Ernstes nur als
Gewalttäter ausmalen kann, wird in der Forschung nur noch den Wahrheitsbeweis
für ihre Angstfantasien suchen. Ihre Ergebnisse geben der nachwachsenden
Generation ein entsprechendes Bild der Beziehungen von Vater und Mutter. Nur
wenig hat das allerdings mit dem gemein, was sich im gemeinsamen Alltag von
Männern und Frauen ereignet. Nicht nur das Glück ist an die Beziehung gebunden,
sondern ebenso das Unglück! Und zwar für beide Partner!
Weil sich das Familienministerium dieser
Wahrheit nicht länger mehr verschließen kann, lässt es jetzt auch Erfahrungen
von Männern mit Gewaltepisoden erforschen. Mutig wird nach solchen Episoden vor
allem zwischen Männern außer Haus gesucht, ganz vorsichtig nur nach dem, was
sich in Partnerschaften ereignet. Das fragwürdige Frauenprivileg auf den
Opferstatus könnte schließlich Klientinnengruppen verschrecken. Dabei wissen
wir doch - nicht erst aus meiner Scheidungsforschung mit 3600 Männern -, dass
allein in der Scheidungskrise, sicher eine der schwersten im privaten Leben,
64,4 Prozent der vielfältig abgestuften psychischen und körperlichen
Gewalthandlungen von der Partnerin ausgehen, 14,8 Prozent von beiden und 14
Prozent von den Männern. Und in 45 Prozent aller Fälle sind es nicht nur ein-
oder zweimalige Entgleisungen, sondern längere Zeit währende
Handgreiflichkeiten. Die Büchse der Pandora wird geöffnet und sichtbar wird -
wie die ersten Ergebnisse zeigen -, dass es vielen Männern im privaten Bereich
nicht viel anders als vielen Frauen ergeht, wenn die sprachliche Verständigung
in sich zusammenstürzt.
Dass das Familienministerium sich solchen
Problemen widmet, ist geboten, wenn der Staat beim Lösen von außergewöhnlichen
Konflikten helfen kann. Ansonsten aber sollte er die Lebensgestaltung und die
Konfliktlösung seinen Bürgern überlassen. Nur durch Forschung lässt sich
sicherstellen, dass Probleme in ihrer Vielfalt verstanden und nicht nur wie
bislang die Einfalt der Gewaltforscherinnen und ihren Partnerinnen im
Familienministerium wiedergegeben wird. Allerdings entziehen sich beide der
Kritik. Sie wollen die national wie international schwer wiegende Kritik an
ihren Methoden und Datenmanipulationen nicht wahrhaben. Warum auch? Die
Forscherinnen erhalten ihr Geld ohnehin vom Familienministerium mehr oder
weniger auf Zuruf. Denn es ist die Übereinstimmung über das gewünschte
Forschungsergebnis, die zur Auftragserteilung führt.
Einer "Betroffenengruppe" etwas
Gutes zu tun, scheint deshalb diese "parteiliche" Forschung zu
rechtfertigern, die an den Standards der Wissenschaftsgemeinschaft vorbeigeht.
Dazu zählt auch die parteiliche Beratung, parteiliche Sozialpädagogik und
Psychotherapie für so genannte Opfergruppen. Dazu wurde das Feindbild vom Mann
und den Jungen entwickelt. Frauen sind deren Opfer und das
Geschlechterarrangement im Übrigen - danach - ein nackter Gewaltzustand!
Parteiliche Forschung oder parteiliche
Professionalität setzt die Ethiken der genannten Berufsgruppen außer Kraft. Das
erklärt, warum viele "parteiliche Helferinnen" vom Zugang zu
professionellen Berufsvereinigungen ausgeschlossen bleiben und Kommunen ihre
Finanzklemme nutzen, sich solcher parteilichen Organisationen stillschweigend
zu entledigen. Die jetzt vom Familienministerium vorgelegten Zahlen entsprechen
dem, was politisch vorprogrammiert war. Viel Geld wurde zum Fenster
hinausgeworfen, um die Ideologie der männlichen Gewalttätigkeit zu bestätigen.
Dass es Handgreiflichkeit zwischen Männern
und Frauen gibt, ist von der Forschung belegt. Auch die Unterschiede zwischen
ihnen sind erforscht. Fest steht, dass Männer wie Frauen sich gegenseitig
nichts schenken und ebenbürtig beim Austeilen sind. Jeder kann das nachlesen.
Das Ministerium und seine willfährigen Ideologiegenossinnen wollen hingegen
verhindern, dass die ebenbürtige Verletzungspraxis von Frauen wie Männern
öffentlich wird. Das würde die Etiketten von Gut und Böse und das beliebte
Schema von "weiblichen Opfern und männlichen Tätern" infrage stellen.
Aber wir müssen beide Partner einer Beziehung nach ihren handgreiflichen
Erfahrungen befragen und wie es dazu gekommen ist. Gerade über die kulturellen
und partnerschaftlichen Dynamiken, die seelische wie körperliche Handgreiflichkeiten
auslösen, wissen wir wenig. Erst mit diesem Wissen lassen sie sich
humanisieren.
Männer und Frauen müssen diese Forschung
auch gemeinsam betreiben, damit keiner von ihnen in seine Klischees
unwidersprochen abgleiten kann. Und letztlich müssen beide an das Gute im
anderen glauben! Gespaltene Welten, wie sie das Familienministerium in Auftrag
gibt, begünstigen lediglich den Unfrieden zwischen Männern und Frauen und den
Generationen.
*Gerhard Amendt ist Professor am Institut
für Geschlechter - und Generationenforschung in Bremen.
Artikel erschienen am Fr, 24. September 2004 in DIE WELT