I.
Der Einsender hat sich erstmalig mit Schreiben vom ... kritisch zu
Praxis und Ausgestaltung des Umgangsrechts der Großeltern nach § 1685 Abs. 1
BGB geäußert. Mit den Zuschriften vom
... hat er seine Ausführungen ergänzt ... -
II.
Das Bundesministerium der Justiz hat zum Umgangsrecht der
Großeltern bereits ... Stellung genommen. Im Folgenden wird daher nur ergänzend
auf ... eingegangen.
1.
Voraussetzung der Kindeswohldienlichkeit
Den Großeltern und den anderen dort
genannten Bezugspersonen räumt § 1685 BGB ein Recht auf Umgang mit dem Kind
ein, wenn der Umgang dem Wohl des Kindes dient. Obwohl der Gesetzgeber damit
den Bezugspersonen subjektive Rechte verliehen hat, geht es in erster Linie
nicht um ihre eigenen, sondern um die Interessen des Kindes, denen der Umgang
dienen soll. Das Umgangsrecht nach § 1685 BGB wird daher vielfach auch als
treuhänderisches oder dienendes Recht bezeichnet (vgl. Staudinger/Rauscher, 13.
Auflage 2000, § 1685 Rdnr. 5). Verweigert ein sorgeberechtigter Elternteil
einer Bezugsperson den Umgang mit dem Kind, ergibt sich ein
"Interessendreieck" von Eltern, Kind und dritter Bezugsperson,
welches das Gesetz entsprechend der vorgenannten Zielsetzung nach der Kindeswohldienlichkeit
auflöst.
Die Frage, ob der Umgang der Bezugsperson
im Einzelfall dem Wohl des Kindes dient, ist aufgrund einer umfassenden
Abwägung aller Umstände zu entscheiden. Dabei ist - worauf der Einsender mit
Recht hinweist - insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Fürsorge der
Großeltern gerade in der für die Kinder belastenden Trennungs- und
Scheidungssituation ihrer Eltern besonders wichtig sein kann. Die Großeltern
können hier der "ruhende Pol", die verlässliche Basis für die weitere
Entwicklung der Kinder sein. Die Psychotherapeutin Brigitte Spangenberg und der
Familienrichter Ernst Spangenberg haben diesen Gesichtspunkt in einem Beitrag
für die Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ 2002, 48) wie folgt
veranschaulicht:
"Je tiefgreifender die Krise ist, um
so wertvoller ist ... ein intaktes familiäres Netz, das einem Kind hilft, sich
wieder zu fangen. Dort, wo elterliche Wärme fehlt, kann großelterliche Wärme
den Verlust mindern, wo das elterliche Modell für intakte Beziehungen versagt
hat .... können Großeltern die Vorbildfunktion übernehmen."
Bei der Kindeswohlprüfung zu
berücksichtigen ist jedoch auch, ob die Umgangskontakte mit den Großeltern
konfliktfrei verlaufen und ob das Kind sie psychisch zu bewältigen vermag. Die
Familiengerichte haben immer wieder Fälle zu entscheiden, in denen das
Verhältnis des betreuenden Elternteils zu den Großeltern so belastet oder sogar
feindselig ist, dass sich das Kind in einem Loyalitätskonflikt zwischen
betreuendem Elternteil und Großeltern befindet. Das Merkmal der
Kindeswohldienlichkeit gibt den Gerichten die Möglichkeit, hier je nach den
Umständen des Einzelfalles sachgerecht zu reagieren. So hat etwa das
Oberlandesgericht Koblenz einen Loyalitätskonflikt des Kindes zum Anlass
genommen, das Umgangsrecht der Großeltern trotz bestehender Bindungen zu dem
Kind zeitlich befristet auszuschließen. Angesichts der bestehenden schweren
Spannungen zwischen den Eltern der Mutter einerseits und dem Vater der Kinder
andererseits sei es für das Kindeswohl besser, mit dem Vater in Frieden zu
leben, auch wenn der Preis ein vorübergehender Verzicht auf Besuche bei den
Großeltern sei (OLG Koblenz, Der Amtsvormund [DAVorm] 2001, 70). Ohne die
Voraussetzung der Kindeswohldienlichkeit in § 1685 BGB hätten die Gerichte den
Großeltern hier grundsätzlich Umgang gewähren müssen. Ein Umgangsausschluss für
längere Zeit wäre dann - nach dem Vorbild des elterlichen Umgangsrechts (§ 1684
Abs. 4 Satz 2 BGB) - nur möglich gewesen, wenn aufgrund des Loyalitätskonflikts
bereits eine Gefährdung des Kindeswohls, etwa eine psychische Schädigung,
gedroht hätte.
2.
"Beweislast" für die Kindeswohldienlichkeit
Sowohl von dem Einsender als auch in
Zitaten der von ihm übersandten Zeitschriftenartikel... wird kritisiert, dass
die Großeltern in gerichtlichen Verfahren "beweisen" müssten, dass
der Umgang mit ihnen dem Wohl dies Kindes dient. Dies ist juristisch nicht ganz
korrekt und lässt die verfahrensrechtliche Stellung der Großeltern schwächer
erscheinen als sie in Wirklichkeit ist.
Über Umgangsrechte wird im Verfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden. Anders als im Verfahren nach der
Zivilprozessordnung hat daher das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung
der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und die geeignet
erscheinenden Beweise aufzunehmen (§ 12 des Gesetzes über die Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FGG). Die "Last der Beweisführung"
dafür, dass der Umgang mit den Großeltern dem Wohl des Kindes dient, liegt
daher nicht bei den Großeltern, sondern beim Gericht (vgl. Palandt/Diederichsen,
63. Auflage 2004, § 1685 Rdnr. 9; Liermann, FamRZ 2001, 704). Das Gericht hört
dazu das Jugendamt (§ 49a FGG), die Eltern (§ 50a FGG) und in der Regel auch
das Kind (§ 50b FGG) an. Darüber hinaus kann das Gericht zur Frage der
Kindeswohldienlichkeit des Umgangs ein Sachverständigengutachten einholen. Die
Großeltern sind mithin in Umgangsverfahren nicht auf sich allein gestellt,
sondern das Gericht ermittelt von sich aus, ob die Voraussetzungen des
Umgangsrechts nach § 1685 BGB vorliegen. Die in einem Beschluss des
Oberlandesgerichts Hamm vom 23. Juni 2000 (FamRZ 2000, 1601) verwendete
Formulierung, wonach der Nachweis der Kindeswohldienlichkeit "von den
Großeltern geführt werden" müsse, ist daher zumindest missverständlich
(ebenso Liermann, FamRZ 2001, 704).
Die Großeltern trifft allerdings die sog.
"Feststellungslast", wenn auch das Gericht mit seinen
Ermittlungsmöglichkeiten die Voraussetzungen des Umgangsrechts nach § 1685 BGB
nicht feststellen kann (ebenso Liermann, a.a.O.; Staudinger/Rauscher, 13.
Auflage 2000, § 1685 Rdnr. 19; Weisbredt DAVorrn 2000, 196). Darauf, dass die
Kindeswohlprüfung nach § 1685 BGB durch die Auslegungsregel des § 1626 Abs. 3
Satz 2 BGB erleichtert wird, ist bereits in ... hingewiesen worden.